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Zarathustra

Um den Religionstifter, den die Griechen Zoroaster nannten, ranken sich viele Geheimnisse. Es gibt keine Nachweise über den Zeitraum oder den genauen Ort, in dem der Prophet wirkte. Fast alle Gelehrten stimmen jedoch überein, dass Zarathustra wahrscheinlich im östlichen Iran gelebt hat, da die Sprache des heiligen Buches Awesta vom Altpersischen unterschieden werden kann, und eng mit dem Sanskrit verwandt ist. Sie sind sich ebenfalls darüber einig, dass Zarathustra vor der Zeit der Achämeniden gelebt haben muss (705 – 675 v. Chr., die Achämeniden lösten die Meder ab und gründeten das erste Perserreich), ob allerdings im 6., 8., 10. oder 15 Jahrhundert oder gar mehrere Jahrtausende v. Chr. ist umstritten.

Das heilige Buch der Zoroastrier bestand ursprünglich aus 21 Büchern. Als Yasna bezeichnet man die überlieferten 72 Kapitel des Avesta (die heute noch bei den Parsen im Gottesdienst verwendet werden), wobei sich 16 Kapitel, die Gathas (Gesänge), direkt auf Zarathustra zurückverfolgen lassen. Niederschriften des Avesta lassen sich ab 1278 nachweisen.


Die Geburt Zarathustras

Da sich in den Gathas (Hymnen) Zarathustras nur wenig biografisches Material findet, stützt sich ein Großteil des Wissens über das Leben des Propheten auf Legenden, welche von Generation zu Generation weitergegeben wurden. Viele dieser Geschichten und mythischen Legenden scheinen weit hergeholt, dass sie kaum als historisch betrachtet werden können.

Die Legende berichtet von einem Volksstamm namens Spitama (übers.: „sehr weiß“), vermutlich Viehzüchter, welcher vor langer Zeit in einem fernen Land am Ufer eines Flusses lebte. Der Führer einer Seitenlinie dieses Stammes hieß Hechadaspa (Hengst). Er hatte zwei Söhne namens Pouruschaspa (viele Pferde) und Arasti (ordentlich und adrett). Pouruschaspa heiratete ein junges Mädchen namens Dughdova (Milchmädchen). Es wird erzählt, dass Dughdova, als sie im fünften Monat schwanger war, einen furchterregenden Traum hatte, in welchem sie sah, wie die Welt zerstört wurde. Aber dann erschien ihr im Traum ein Engel, der ihr prophezeite, dass sie einem großen Propheten das Leben schenken werde, welcher die bevorstehende Zerstörung abwenden könne.

Dughdova wurde ein gesunder Junge geboren (die Zoroastrer feiern seinen Geburtstag am 26. März). Im Gegensatz zu den meisten anderen Babys soll der Kleine bei der Geburt nicht geschrieen haben. Vielmehr zierte ein strahlendes Lächeln sein Antlitz, welches in göttlichem Strahlen leuchtete. Die Eltern gaben dem Kleinen den Namen Zarathustra (manche übersetzen das Wort mit „goldenes Licht“ oder „goldener Stern“, andere wiederum mit „Besitzer von gelben Kamelen“). Dem zweiten Sohn des Hechadaspa wurde ebenso ein Sohn namens Maedyoimaha (Mittel-Mond) geboren.


Die Diskussion

Bald zeigte sich, dass der kleine Zarathustra ein besonders intelligenter und energiegeladener Junge war. Er war mit außergewöhnlicher Aufmerksamkeit und einem scharfen Verstand gesegnet, hatte die Fähigkeit durch die Oberfläche der Dinge zu sehen und die dahinter verborgene Bedeutung zu verstehen. Aufgrund seines Wissensdurstes und seiner natürlichen Neugier hatte er meist jede Menge Fragen, mit welchen er die Priester und Lehrer der damaligen Zeit bedrängte. Leider konnten ihn diese nur selten mit ihren Antworten zufrieden stellen. Als er neun Jahre alt war, arrangierten einige Freunde ein Treffen mit dem obersten Priester in der Stadt, wobei die Fragen Zarathustras erörtert werden sollten.

Die Legende erzählt, dass der Oberpriester gemeinsam mit Zarathustra dessen Fragen diskutierte, ihn jedoch mit seinen Antworten nicht zufrieden stellen konnte. Einige der Fragen des Jungen hatten den Oberpriester aufgewühlt und so verließ er den Ort des Treffens nach einigen Stunden tief in Gedanken versunken. Manche Legenden berichten, dass er am Nachhauseweg an einem Herzinfarkt verschied, obwohl er noch bei guter Gesundheit war, als er ging. Andere Geschichten berichten, dass sich Zarathustra gegen alle möglichen magischen Kräfte zu wehren hatte und wie er dies anstellte.


Jugendjahre

In seiner Jugend verbrachte Zarathustra viel Zeit auf den Weideflächen in der Umgebung seines Heimatortes. Oft geriet er bei der Betrachtung der Natur in eine meditative Stimmung, in welcher sich ihm auf verschiedene Weise viele Antworten offenbarten, die ihm der Oberpriester zuvor nicht beantworten konnte.

Eine Geschichte erzählt, dass eines Tages seine vier Brüder zu ihm kamen, um den Besitz des verstorbenen Vaters unter sich aufzuteilen, als Zarathustra fünfzehn Jahre alt war. Zarathustra soll den gesamten Besitz seinen Brüdern überlassen und für sich selbst nur einen einzigen Gegenstand beansprucht haben, welcher das spirituelle Leben symbolisiert. Als er zwanzig Jahre alt war, begab er sich auf Wanderschaft und verließ seine Heimat, um die Wahrheit zu suchen. Er verbrachte Jahre meditierend in der Wildnis, bevor er nach zehn Jahren seine erste Vision hatte, in welcher ihm ein Engel namens Vohu Manah erschien und er mit Hilfe himmlischer Wesen (Amesha Spentas) in himmlische Gefilde emporgehoben wurde. So erlangte er vollkommenes Wissen über die Vergangenheit, die Zukunft und die Gegenwart. In einer anderen Geschichte wird erzählt, dass er vor seinem Erleuchtungserlebnis eine Frau namens Hvovi geheiratet haben soll. Genaueres ist jedoch nicht bekannt.

Ob all das wirklich passierte, ist eine Sache des Glaubens und nicht der Wissenschaft. Seine ihrer Tradition treu gebliebenen Anhänger akzeptieren diese Geschichten jedenfalls als die Wahrheit. Im Gegensatz zum Koran des Mohammed werden die „Gathas“ (Gesänge) Zarathustras nicht auf Offenbarungen, welche von einem göttlichen Wesen diktiert werden, zurückgeführt. Vielmehr betrachtet man sie als inspirierte Komposition eines Dichterpropheten. Das Leben Zarathustras ist den Zoroastrern aller Richtungen, Traditionalisten wie Moderne, gleichermaßen Vorbild für Innovation, liebender Beziehung zu Gott und spirituellen Mut.


Erleuchtung

Als Zarathustra dreißig Jahre alt war, wollte er eines frühen Morgens Wasser vom Fluss holen. Es dämmerte bereits und die Verfärbung am Horizont kündigte das baldige Aufsteigen der Sonne an. Als Zarathustra ein Stück in den Fluss gewatet war, erschien ihm plötzlich Vohu Mana (der Engel vom Geist Gottes) und öffnete das Tor zum göttlichen Licht des Ahura Mazda. Es war Zarathustras erstes Erleuchtungserlebnis, seine erste Offenbarung. Zarathustra selbst spielte in den Gathas nur behutsam, aber mehrmals auf dieses sein Berufungserlebnis, sein „Traumgesicht“ an.

In seiner Vision erkannte Zarathustra die Schöpfungsgeschichte und Ahura Mazda als den weisen Herren der Schöpfung:
Der von Ahura Mazdā durch den langherrschenden Windhauch geschaffene Himmel hat die Gestalt eines Eies. Das Leben entstand danach in der Reihenfolge: Wasser, Erde, Pflanzen, Tiere und dann der Mensch. Ahura Mazda und seinen sechs Aspekte agieren als Wächter und Handwerker der physischen Welt. Zusammen mit Ahura Mazda, der mit seinem Geist „Spenta Mainyu“ gleichgesetzt wird, tragen sie sieben bedeutungsvolle Namen: Spenta Mainyu (Heiliger Geist), Vohu Manah (Guter Sinn), Sraosha (Gehorsam), Chshathra (das Reich), Armati (Andacht) und Ashi (Vergeltung), Haurvatat und Amertat zusammen stehen für „Heiligkeit und Unsterblichkeit“. Gegen diese guten Geister stehen die bösen Geister, angeführt von Angra Mainyu (Arger Geist) mit seinen bösen Anhängern. Zarathustra offenbarten sich die Gesetze des Universums und die Beziehung zwischen Ahura Mazda, den Amesha Spentas und der Schöpfung.

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Das Verbreiten der Lehre

Zarathustra war vielleicht der erste Prophet, welcher eine monotheistische Religion verkündete. Er offenbarte, dass es nur einen Gott namens Ahura Mazda, „Allweiser Herr“ gäbe und lehrte, dass der Mensch im diesseitigen Leben die Wahl zwischen Gut und Böse habe. Damit Gutes existieren kann, braucht es das Böse und umgekehrt. Inmitten dieses Zusammenspiels ist es jedem Menschen frei überlassen, sich für das Gute zu entscheiden und somit den Kampf Ahura Mazdas gegen das Böse zu unterstützen bzw. zur Verwirklichung des Planes Gottes beizutragen. Wichtig ist hierbei, dass der Zarathustrismus bzw. Ahura Mazda den Menschen zu nichts zwingt – der Mensch wird als vernünftiges Wesen frei geboren und kann allein durch freie Entscheidung und persönliche Einsicht zu Gott gelangen.

Nach seiner Erleuchtung wollte Zarathustra sein Wissen der Welt mitteilen, nur wusste er vorerst nicht, wo er damit anfangen sollte. So entschied er sich schließlich mit seiner Familie und seinen Verwandten zu beginnen und teilte ihnen seine Lehre mit. Sein Cousin Maedyoimaha und seine Gemahlin Hvovi wurden seine ersten Anhänger. Daraufhin entschlossen sich auch seine Kinder, eines nach dem anderen die Philosophie des Vaters als ihren Lebensweg anzunehmen. Eine andere Geschichte berichtet, dass es nach der ersten Lehrrede noch zehn Jahre dauerte, bis sich Maedyoimaha Zarathustra anschloss und sein erster Anhänger wurde.


Elemente der Lehre: Der Spirit

Mit Spirit bezeichnet man das höchste göttliche Prinzip, welches im Herzen jedes Menschen residiert. Wie der Spirit selbst ist auch seine Reflexion, die individuelle Seele unsterblich und nicht der Welt der Materie zuzurechnen. Die Zoroastrer bezeichnen das Höchste Absolute mit dem Namen Ahura Mazda und seine Aspekte, welche in jeder materiellen Manifestation präsent sind, Fravashis und Yazatas. Mit Spiritualität wird die Erfahrung der direkten Kommunion zwischen dem ‚Spirit’ und der individuellen Seele bezeichnet. Jeder der spirituelle Erfahrungen machen durfte, weiß, dass diese viel tiefer als physische Erfahrungen sind und man sie nicht mit gewöhnlichen Worten beschreiben kann.

Verschiedene Propheten unterrichteten ihre Anhänger in unterschiedliche spirituelle Disziplinen, um sie zu spirituellen Erlebnissen zu führen. Zarathustra gab seinen Schülern das heilige ‚Manthra Spenta’. Man vermutet, dass diese mathrischen Sprüche in der altertümlichen Avestan-Sprache mehr als nur heilige Wörter und wirksame Klänge sind. Sie verkörpern kosmische Energie, welche in Ahura Mazda ihren Ursprung hat. Er ist die Quelle sowohl des unendlichen Lichtes (‚Reavat-Khvarnvat’) als auch des Urklanges (‚Staot Yasna’). Beide entstanden zu Beginn der Schöpfung und schufen das Raum-Zeit Kontinuum.

Die Vibrationen des Urlautes schwingen jedoch über das Raum-Zeit Kontinuum hinaus um in der spirituellen Welt des Lichtes ihre Resonanz zu finden. Die Verbindung zwischen dem Höchsten Absoluten, dessen Natur spirituelles Licht ist, und der individuellen Seele wird am besten durch die Vibrationen des Urklanges erreicht. Diese Vibrationen sind sozusagen die Sprache des Lichts. Mantras, Gebete oder Hymnen zur Verehrung des Göttlichen reinigen die individuelle Seele und bringen sie in Einklang mit höherem spirituellem Bewusstsein, um so als Ziel des spirituellen Weges die Vereinigung mit dem Göttlichen (in der Sprache der Zoroastrer ‚Yasna’) zu erreichen. Licht und Klang sind beide bestimmte Formen von Energie, wobei die Vibrationen der heiligen Klänge von den Wellen des göttlichen Lichtes absorbiert werden.


Das Feuer

Zarathustra sah das Feuer als Symbol für das Licht des Spirit. In den Gathas berichtet er unter anderem wie er die Verbindung mit dem Göttlichen durch das Feuer sucht. Feuer verwandelt Materie in (Wärme-) Energie, ist Symbol für den Weg von der Materie zum Geist. Es ist der Ursprung aller Schöpfung und kein Ritual in der zoroastrischen Religion ist ohne das Feuer vollständig. In ihren Heimen achten die Anhänger Zarathustras daher besonders darauf, dass ‚Divo’, die Feuerstelle, nicht verlöscht, stimmen sich beim Gebet am Feuer auf das Höchste Absolute ein und versuchen so mit Ahura Mazda, dem Herrn der Weisheit, zu kommunizieren.

Das Feuer ist eine physische Manifestation des göttlichen Lichtes, welches Raum und Zeit durchdringt. So glauben die Zoroastrer, dass Ahura Mazda, der Spirit, in einer spirituellen Welt residiert und seinen Sohn, das Feuer auf die Erde gesendet hat, um die Schöpfung zu ihrem Ziel (Frasho-Kereti = die Befreiung vom Bösen) zu treiben.



Weitere Elemente der Lehre

Nach dem Tode gelangt die Seele zur Činvat-Brücke, welche ins Paradies führt. Für den rechtschaffenen Menschen ist sie breit und er gelangt mühelos in den Himmel. Für den anderen jedoch ist sie schmal wie eine Messerschneide, sodass er in die Hölle stürzt. Am Ende der Zeit würde Ahura Mazda über die Welt richten. Alle Menschen, Gute wie Böse müssen in den Fluss aus Feuer. Aber während die Bösen meinen, sie baden in einem Strom aus flüssig-glühendem Metall, ist es für die Guten, wie wenn sie durch warme Milch gehen würden. So wird das Böse besiegt und die Welt durch das Feuer gereinigt und nach dieser Reinigung gelangen alle in das Reich Ahura Mazdas. Nachdem das Böse vernichtet ist, entsteht das Königreich Gottes neu auf Erden und Ahura Mazda herrscht bis in alle Ewigkeit über selige Wesen, die wieder im Zustand der paradiesischen Unschuld leben.

Neben den Mantras, Gebeten und Ritualen wurden von Zarathustra außerdem Reinheitsvorschriften hinterlassen, welche dazu dienen, das spirituelle Erbe zu bewahren. Zu einer Zeit, in der grausame Tieropfer üblich waren, trat Zarathustra aus Fürsorge und zum Schutz der Kreatur für unblutige Opferspenden ein und gilt dadurch auch als Beschützer der Tiere.


Herausforderungen

In der Folge wollte Zarathustra seine Erkenntnisse unter seinen Mitbürgern verbreiten und begann in den Straßen der Stadt zu predigen. Die neue Lehre stand im Gegensatz zur Lehre der etablierten Priesterschaft, welche ihr gesamtes Leben und ihre Existenz auf den alten Religionen aufgebaut hatte, und rief deren Widerstand hervor. Zarathustra versuchte verschieden Wege, traf aber jedes Mal auf Opposition und noch größerem Widerstand. So gelang es ihm innerhalb von zwölf Jahren nur 22 Leute für seinen Weg gewinnen, seinen Cousin, seine Frau und seine Kinder miteingeschlossen.

Enttäuscht über den geringen Erfolg und die Opposition durch Regenten und Priester in seinem eigenen Land, entschied sich Zarathustra schließlich, seine Heimat zu verlassen. In jedem Land und jeder Stadt, durch die er mit seinen Schülern zog, versuchte er den Menschen seine Philosophie zu vermitteln. Überall traf er jedoch auf den vorhersehbaren Widerstand durch Angriffen der herrschenden Priesterschaft und Regenten und in der Ignoranz der Menschen und ihrem Widerwillen dagegen, sich ändern zu wollen.

In einem der Gesänge der Gathas heisst es: „In welches Land soll ich ziehen? Wohin soll ich mich wenden? Sie lassen mich nicht zu meinem Volk und zu meinen Freunden. Weder mein Stamm stellt mich zufrieden, noch die falschen Regenten dieses Landes (….). Ich weiß (….), dass ich machtlos bin. Das einzige, was ich besitze ist etwas Vieh und ein paar Menschen die mir folgen.“


Der Durchbruch – König Vishtaspa

Zarathustra war zweiundvierzig Jahre alt, als er mit seinen Anhängern das Land des Königs Vishtaspa erreichte. Sollte es auf der gesamten Welt jemand geben, der für neue Lehren offen ist, dann König Vishtaspa, so hatte man ihm erzählt. Der weise König sicherte Zarathustra eine Audienz zu, lud aber gleichzeitig auch alle Priester und Weisen seines Reiches ein, dem Empfang beizuwohnen und Zarathustra Fragen zu stellen.

Redegewandt wie er war, wirkte Zarathustra in allen an ihn gestellten Fragen und Herausforderungen überzeugend. Der König erkannte die Weisheit des Propheten und nahm seine Lehre begeistert an. Damit nicht genug, empfahl er auch seinen Untertanen sich für die neue Religion zu entscheiden und lud sie ein, der Lehre Zarathustras aufmerksam zu lauschen. Das bedeutete für Zarathustra den Durchbruch.

Damit war die Geschichte jedoch noch nicht zu Ende. Die um ihren Einfluss fürchtenden Priester versteckten Dinge, wie sie zu schwarzmagischen Ritualen verwendet werden in den privaten Räumlichkeiten Zarathustras, beschuldigten ihn beim König der Zauberei und forderten diesen auf, die Unterkunft Zarathustras durchsuchen zu lassen. Tatsächlich wurde Zarathustra daraufhin in den Kerker geworfen, wo er weder zu essen noch zu trinken bekam.

Dennoch nahm die Angelegenheit eine positive Wendung. Die Legende erzählt, dass das Lieblingspferd des Königs von einer unheilbaren Krankheit entstellt wurde und keiner der Ärzte im Reich wusste, wie es zu heilen wäre. Als der inhaftierte Zarathustra davon hörte, bot er dem König seine Dienste an. Widerwillig stimmte Vishtaspa dem Angebot zu und Zarathustra durfte seine Heilungstechniken versuchen, um das Lieblingspferd des Herrschers zu heilen. Das Unternehmen gelang und Vishtaspa erkannte sein Fehlurteil. Zarathustra erlangte sein Ansehen wieder zurück und die Priester, welche die Verschwörung angezettelt hatten, wurden bestraft. Der Herrscher begann nach diesem Vorfall die neue Religion intensiv zu fördern.

Auch wenn diese Geschichte schwer zu glauben ist, wissen wir doch, dass Vishtaspa die Religion Zarathustras annahm und dies den Wendepunkt in der Ausbreitung der zoroastrischen Religion darstellte. Von diesem Zeitpunkt an war Zarathustra die Unterstützung und Rückendeckung durch einen mächtigen und weisen Königs sicher, und er konnte seine Lehre ohne Schwierigkeiten überall im Lande predigen. Sehr bald überschritt die Botschaft Zarathustras die Grenzen des Landes.

Zwei der ersten, welche nach König Vishtaspa die neue Lehre annahmen, waren die Brüder Frashaoshtra und Jamaspa, aus der Hvogva Familie. Beide werden in den Gathas erwähnt und gehörten bis zu ihrem Ende zu den Schülern Zarathustras.


Zarathustras Persönlichkeit

Es gibt nur sehr wenig Zeugnisse über das Leben Zarathustras. Aus den Schriften lässt sich jedoch schließen, dass Zarathustra ein natürliches Charisma hatte und außergewöhnlich weise und rechtschaffen war. Er war ein ‚Ahsu’ – einer der das Selbst in sich verwirklicht und damit den Höhepunkt in der Evolution des Bewusstseins erlangt hatte. Der Meister war liebevoll und gütig und dennoch energisch und eifrig, was die Befolgung der Wahrheit und Gerechtigkeit anlangte. Weise wie er war, besaß er eine besonders klare Aufmerksamkeit und einen scharfen Verstand. Weiters zeichnete er sich durch ein klares Verständnis für die physikalischen Gesetze und moralischen Prinzipien dieser Welt aus und hielt mit schier übermenschlicher Kraft an der Rechtschaffenheit fest.

Zarathustra soll drei Jungen und drei Mädchen gehabt haben. Es muss sich dabei nicht um eine exakte Information handeln, da sich die Zahl mit den sechs Amesha Spentas (übers.: „Heilige Unsterbliche“) deckt und daher möglicherweise nur symbolisch gemeint ist. Im letzten Gesang (Gatha) wird jedoch von der Hochzeit einer Tochter des Zarathustra namens Pouruchista (Voll Weisheit) mit dem Ministerpräsidenten des Reiches berichtet, somit dürfte der Prophet zumindest ein Kind gehabt haben.

Es wird angenommen, dass die heiligen Gesänge Zarathustras am Hof des Königs Vishtaspa entstanden, da dessen Name in der Komposition als Anrede verwendet wird. Wahrscheinlich hat der Prophet die letzten drei Jahrzehnte vor seinem Tode im Alter von 77 Jahren am Hof Vishtaspas gelebt. Immer wieder wird auch um die Frage gestritten, ob Zarathustra ein Priester war oder nicht. Er wurde in eine Gesellschaft geboren, in welcher die polytheistischen Riten der alten Indo-Persischen Religionen gepflogen wurden. Im späteren Avesta, der religiösen Schrift der Zoroastrer, wird Zarathustra im Zwiegespräch mit Ahura Mazda dargestellt; er wird in religiösen als auch in Gesetzestexten genannt, und große Teile von Ritualen und der zoroastrischen Lehre werden auf Zarathustra zurückgeführt, ob er nun der Urheber war oder nicht.

In der späteren zoroastrischen Tradition wurden dem Leben des Propheten zunehmend Wundern und göttliche Eingriffe zugeschrieben, die in den alten Schriften nirgends aufgezeichnet waren. Die Erzählung, dass der neugeborene Zarathustra bei seiner Geburt gelacht haben soll, anstatt zu schreien, gehört ebenfalls zu diesen Legenden. Er soll sogar so gestrahlt haben, dass die Dorfbewohner Angst bekamen und ihn töten wollten. Aber alle Versuche schlugen fehl. Feuer konnte dem Baby ebenso wenig anhaben wie in Panik versetzte Tiere. Eine andere Geschichte erzählt, dass er in der Wildnis von einer Wolfsmutter umsorgt wurde.


Zarathustras Ende

Es gibt viele Legenden die vom Tod Zarathustras berichten. Viele Berichte erzählen von einem Märtyrertod, inklusive des Eingriffes übernatürlicher Kräfte, welche die Mörder Zarathustras schließlich töteten. Eine weitere Version berichtet vom Aufstieg Zarathustras in den Himmel (ähnlich der Auferstehung Jesus).

Eine andere Geschichte erzählt, dass Zarathustra in seinem siebenundsiebzigsten Lebensjahr eines Abends von seiner Familie Abschied nahm und sich nach dem Abendgebet in sein Bett zurückzog, wo er ruhig und still im Schlaf verschied. Am nächsten Morgen sollen die Familienmitglieder bemerkt haben, dass er noch nicht erwacht war und fanden den Toten friedlich im Bette ruhen.


Verbindungen zur modernen Welt

Um die Gestalt des Zarathustra ranken sich viele Legenden. Bei den Griechen galt er als Brunnen der Weisheit, so bei Platon, aber auch als Lehrer des Pythagoras. All diese Prädikate beweisen nur, dass Zarathustra eine ungewöhnliche Persönlichkeit gewesen ist, die der Geschichte bis zur Gegenwart ihren Stempel aufgedrückt hat.

Im Heldenepos Shahnameh wird von einer Zeder erzählt, welche Zarathustra bei einem Besuch in Kashmir gepflanzt haben soll. Dieser Baum wurde als Sarv-e Kashmar berühmt, und soll tausend Jahre alt geworden sein, bis ihn der Kalif Al-Mutawaqqil im Jahre 861 fällen ließ.

Die Avesta erreichte im 18. Jahrhundert den Westen und wurde für seine humanistische, monotheistische und moralische Philosophie, welche in den Gathas verkündet wird, bekannt. Große Philosophen wie Kant und Diderot nahmen sie zum Vorbild. Voltaire schrieb ein Stück namens „Zoroastra“, in welchem ein Philosoph, ein ‚Heide’ des Altertums, Monotheismus und höchste Moralvorstellungen lehrt, ohne etwas mit den christlichen Kirchen zu tun zu haben. Der französische Komponist Rameau schrieb eine Oper namens „Zoroastra“.

Der freiheitlich denkende Mozart gab dem in der Oper „Die Zauberflöte“ auftretenden Priester der Sonne und des Lichts, welcher die Göttin der Nacht besiegt, den Namen „Sarastro“.

Im zwanzigsten Jahrhundert wurde Friedrich Nietzsche durch das Vorbild Zarathustras inspiriert und legte seine eigene Philosophie in seinem Werk ‚Also sprach Zarathustra’ dar. Allerdings wird in diesem Werk nicht die zoroastrische Philosophie gelehrt. Der deutsche Komponist Richard Strauß wurde durch das Werk Nietzsches inspiriert und komponierte eine gleichnamige Symphonie.


Übersetzung und Bearbeitung S.H. und S.J.